Die Geschichte um den United Flug 3411 konnte man in der letzten Woche nicht versäumen. Ein Passagier wurde recht gewaltsam aus dem Flugzeug gezerrt. War es vermeidbar?
Die Story mal kurz zusammengefasst! Der Flug von United 3411 war überbucht. Mitarbeiter von United mussten transportiert werden. Die Angebote Passagiere mit Gutscheinen zu Umbuchungen zu bewegen haben nicht funktioniert. Das Boarding wurde durchgeführt, die Plätze hat man jedoch noch immer benötigt. Einige Gäste an Bord wurden ausgewählt. Ein Reisender hat sich geweigert, ein Arzt der am nächsten Tag Termine hatte. Die Airline hat Sicherheitskräfte gerufen. Der Herr wollte noch immer seinen Sitzplatz nicht aufgeben. Daraufhin hat ein weiterer Sicherheitsmann den Passagier brutal aus der Maschine verbracht. Der Passagier hat es dann nochmals blutverschmiert in das Flugzeug geschafft. Das wurde entladen, gereinigt und ist dann nach Louisville geflogen. Der CEO von United Munoz hat sich in seiner ersten Stellungnahme hinter seine Mitarbeiter gestellt. Aufgrund des starken medialen Drucks musste er sich dann entschuldigen.
Liest man diese Story, hat sich irgendwie alles auf einen Punkt hin zugespitzt. Betrachten wir die Dinge mal ein wenig neutraler und aus einer europäischen Distanz.
Werden in den USA Maschinen überbucht? JA
Werden in Europa Maschinen überbucht? JA
Sind Überbuchungen ein Standard? JA
Hat das United Team am Airport relativ kurzfristig vom Engpass an Plätzen durch die zusätzlich zu transportierenden Mitarbeiter erfahren? JA
Hat man eine Kompensation für freiwillige Überbuchungen angeboten? JA
War das Engagement für die Suche nach Freiwilligen ein wenig überhastig? JA
Hat man in dieser Situation mit dem Boarding begonnen? JA
Hat man in weiterer Folge zufällig Passagiere zum Zurücklassen ausgewählt? JA
Haben Passagiere dieses Auswahlverfahren akzeptiert und sind ausgestiegen? JA
Hat sich der eine Passagier geweigert auszusteigen? JA
Hat eine Airline die Möglichkeit – auch vertragsbrechend – Gäste nicht zu transportieren? JA
Ist ein unrechtmässiger Bruch eines Vertrages eine juristische Angelegenheit? JA
Darf eine Airline Passagiere aus ihren Flugzeugen entfernen lassen und nicht befördern? JA
Hat der Sicherheitsbeamte Gewalt angewandt? JA
Hat man auf hoheitliche Gewalt (Polizei) verzichtet? JA
Wurde der Sicherheitsbeamte vorläufig suspendiert? JA
Hat sich Munoz (CEO United) hinter seine Mitarbeiter gestellt? JA
Hat sich der CEO von United dann entschuldigt? JA
Ich darf hier auf die Konflikteskalationsstufen von Glasl verweisen (Wikipedia). Er unterscheidet 9 Stufen bei einer vollkommen entgleisenden Auseinandersetzung.
Stufe 1: Verhärtung
Stufe 2: Debatte
Stufe 3: Taten statt Worte
Stufe 4: Koalitionen
Stufe 5: Gesichtsverlust
Stufe 6: Drohstrategien
Stufe 7: Begrenzte Vernichtung
Stufe 8: Zersplitterung
Stufe 9: Gemeinsam in den Abgrund
Relativ rasch ist man beim United Flug 3411 bis Gemeinsam in den Abgrund gekommen. Die maßgeblich eskalierenden Player waren jedoch nicht United, sondern die Sicherheitsleute. Ohne eine Täter-Opfer-Umkehrung zu machen, wäre für den Passagier ein Ausstieg aus dieser ausufernden Situation relativ einfach gewesen. Er hat diesen Weg aber nicht gewählt.
In vielen Beiträgen wird von Polizisten gesprochen. Soweit ich die mediale Berichterstattung verfolgt habe, waren es Sicherheitsleute des Airports. Scheinbar hat man auf eine hoheitliche Durchsetzung der Rechte von United verzichtet. Schlägereien von Sicherheitsfirmen mit irgendwelchen Leuten stehen in österreichischen Gerichten an der Tagesordnung. Kein ordentliches Bezirksgericht hat nicht einige dieser Fälle pro Monat. Meistens spät in der Nacht vor Discos. Das so eine Geschichte in einem Flugzeug passiert ist ungewöhnlich. Von der Sache jedoch nicht.
Waren das Polizisten (auch diese Berichte gibt es), dann erübrigt sich jegliche Diskussion. Nicht schön, aber hoheitliche Rechte können durch eine Polizei durchgesetzt werden.
Deeskalation wäre auf US Flügen vielleicht angebracht, auch von den Passagieren. Derzeit kursiert schon wieder ein Video. Hier jetzt hat ein Flugbegleiter einer Reisenden Mutter ihren Kinderwagen weggenommen. Sie hat ihn festgehalten, der Steward war dann grober und die Dame hat ihn irgendwie auf den Kopf bekommen. Daraufhin entfacht sich ein Streit eines wiederum anderen Passagiers mit eben jenem Flugbegleiter. Die Blogger auf Boardingarea lieben diese Stories und YouTube ist von ähnlichen Vorfällen voll.
Hat sich vielleicht schon jemand, der mit den Kameras drauf hält (meistens gibt es unzählige Videos) Gedanken gemacht, man könnte auch deeskalierend Eingreifen. Streitvideos sind beliebt und wahrscheinlich erreicht man mit dem Teilen auch eine gewisse Berühmtheit. Den sich zerfetzenden Parteien hilft das aber meistens nicht weiter. Sie können sich dann nur ihre eigenen Fehlleistungen in den sozialen Netzwerken ansehen.
Zwei kleine Anmerkungen: der Flug war NICHT überbucht und die Polizei ist (zumindest in Deutschland) nicht zur Durchsetzung privatrechlicher Ansprüche, hier von United, zuständig. Da es sich nicht um ein Sicherheitsproblem handelte, wäre die Polizei hier gar nicht eingeschritten.
Es waren aber zu wenig Plätze da, sonst wäre das ganze Spiel komplett absurd gewesen. Was es ja meiner Meinung ja sowieso war.
Wenn ein Buschauffeur der Wiener Linien beschließt, dass er dich nicht mitnimmt, kann man es auch nicht aussitzen. Der Grund ist da relativ egal. Sie haben das Hausrecht.
Der Flug war definitiv nicht überbucht, weil da zählen nur zahlende Gäste, alle nonrevs müssen da hintenanstehen, da sie keine feste Reservierung haben.
Einigen wir uns drauf, es gab zu wenige Plätze. Eine Airline muss Mitarbeiter für den Betrieb transportieren. In welche Zählung sie auch immer hineinfallen.
Das ist aber schon ein kleiner Unterschied. Bei „regulärer“ Überbuchung (schon pervers genug, dass so etwas geregelt wird) bestehen die definierten Möglichkeiten zur Verweigerung des Transports.
Der vorliegende Fall (man hat nicht überbucht, enschließt sich aber die Sitze gar nicht mehr zu verkaufen) ist auch nach US-Recht nicht vorgesehen.
Der „Rücktritt vom Vertrag“ war hier halt ein wenig spät, da die Leistung mit Boarding ja schon begonnen hatte.
Also ich hätte mich da auch geweigert auszusteigen.
Körperliche Gewalt anzuwenden ist vollkommen inakzeptabel.
In den Karren gefahren wurde die ganze Situation m.E. so richtig vom Vorstandsvorsitzenden. Sich hinter gewalttätige Mitarbeiter zu stellen ist durch nichts zu rechtfertigen.
Ich jedenfalls hatte nach Ansehen der Videos entschieden, dass ich nicht mehr mit United fliegen werde.
Die Airline hätte tausende Möglichkeiten zum Transport ihrer Mitarbeiter gehabt (rechtzeitige Planung, höheres Angebot an Passagiere, Buchen der Mitarbeiter auf Konkurrenzmaschinen, etc.). Gewaltanwendung nach Boarding sind Mafia-Methoden. Ich wünsche der Airline einen kompletten Kundenboykott mit anschließender Insolvenz.
Ich bin kein Fan von Gewalt. Definitiv nicht. Ich habe einen einjährigen Zivildienst hinter mir und habe nicht die viel kürzere Variante des Heers in Österreich gewählt. Die übermäßige Gewaltausübung steht sicher in keinem Manual und würde ich eher als persönliche Fehlleistung eines Security Mitarbeiter einordnen.
Ich wäre mitgegangen. Die Sache an sich war extrem schlecht gelöst. Boarding beginnen, Mitarbeiter noch drauf nehmen und dann mit einem Sicherheitsdienst agieren. Letztlich kann man als Gast aber nix erzwingen. Ich denke sich fügen, alles dokumentieren und juristische Mittel ergreifen wäre der einzig gangbare Weg gewesen.
Ich habe einmal eine Error Fare mit dem Department of Transportation erzwungen. Ich denke so lapidar wäre United bei so einem Vorgehen auch nicht rausgekommen.
United wohl auch nicht mehr so begeistert :-)
http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/united-airlines-kassiert-befoerderung-von-oscar-munoz-zum-chairman-a-1144414.html#ref=nl-managerupdate
Aber Munoz kann doch nix dafür. Das alles ist gängige Praxis in den USA. Und jede Äußerung des Managers hätte man zerpflückt. Ich denke auch ein Manager kann wenig für einen Gewaltüberschuss einer Sicherheitskraft.
Die USA würden so Regeln wie die EU FLuggastrechte brauchen. Dann würde sich die ganze Diskussion erübrigen.
Naja, er hat sich in der ersten Stellungnahme uneingeschränkt hinter die Mitarbeiter gestellt, die einen Kunden krankenhausreif prügeln ließen. Zuerst haben sie die Schläger geholt, später Hilfe unterlassen.
Bei uns in München passiert das ja regelmäßig auf der Wiesn (Oktoberfest). Die Zelte sind jeweils im Privatbesitz, sprich der Betreiber muss sich nicht seinen Aktionären gegenüber rechtfertigen. Nur wenn es Überhand nimmt, schreitet die öffentliche Hand ein.
Hier werden aber die Aktionäre einschreiten. Ich denke seine Karriere ist beendet.
Spannend finde ich die Rolle der Sicherheitsleute. Was waren das genau für Herren. Heute sind irgendwelche Aussagen aufgetaucht. Die Rolle dieser Kräfte ist mir nicht ganz klar.
Wenn das Polizei mit hoheitlichen Rechten war, dann schaut es schlecht aus. Ich kann auch nicht einem Polizisten sagen, ich gehe nicht mit.
Glaube nicht, dass das Beamten waren, sah auch auf den Videos nicht so aus. Zudem kann ja wohl kaum ein privater Betreiber seine „Vertragsbrüchigkeit“ von Beamten durchsetzen lassen.
Eine Gefahrenlage gab es ja nicht. Ansonsten hätte der Pilot ja das gesamte Flugzeug räumen lassen können / müssen. Letzteres wurde ja offenbar danach gemacht.
Ich stell mir gerade die Frage, wie Hr. Munoz das hätte lösen wollen, wenn er bei Ryanair arbeiten würde… Dort werden ja Boardingkarten ohne Platzzuweisung ausgegeben. Dort hätte er dann aus jedem einzelnen Passagier erstmal den Namen herausprügeln lassen müssen, um ihm mitzuteilen, daß er ausgelost wurde ;-)
Ich sage immer, auch wenn man mitunter recht hat, so hilft einem das nix, wenn man eine gebrochene Nase und zwei ausgeschlagene Zähne hat.
In den USA kann das aber gelegentlich ausreichen, um sich mit den „punitive damages“ ein kleines Familienimperium zulegen zu können.
(Diese Masche war wohl auch der unterschwellige Vorwurf ggü. dem Arzt, der die so wichtigen Termine einhalten musste.)
Warum wurde geboardet? Warum wurde nicht die max Kompensation angeboten? Und wer hat schon Interesse an Flug Gutscheinen wenn man ja eh nicht befördert wird? ;-(
Also ich bin immer ganz geil auf Umbuchungen. Normalerweise ;) Es soll ja auch Leute in dieser Szene geben, die diese Situationen gerade regelrecht suchen und Gutscheine gehortet haben. Manche haben es ein wenig übertrieben und haben jetzt Flugverbot auf bestimmten Airlines :DDD
Ich glaube schon, wenn man ordentlich gerade junge Menschen fragt, hat man Erfolg. Es ist immer die Frage, wie man die Passagiere motiviert so etwas zu tun.
Aber die Frage mit dem Boarding ist berechtigt. Man weiß, dass es sich nicht ausgeht und lasst den Karren in den Dreck fahren.
Soweit ich verstehe, hat die Airline NACH dem Boarding festgestellt, daß sie weitere Mitarbeiter befördern will.
M.E. wäre hier die Dikussion angebracht, bis wann die Airline hier (willkürlich) Hausrecht anwenden will / soll.
Vielleicht verstehe ich dich falsch, aber ich lese deinen Kommentar so, als wenn du es auch OK finden würdest, wenn die Airline WÄHREND des Flugs jemand (freundlicherweise mit Fallschirm) rausschmeisst.
Ich denke keiner – und auch ich nicht – wird die Geschichte als gelungen ansehen. Wir legen unser Leben in die Hand von Airlines, vergessen aber, dass es einfach Unternehmen sind. Aus We feed the world: „Ein Konzern ist ein Konzern. Ein Konzern hat kein Herz.“
Über Loyalitätsprogramme und Marketing versucht man eine Aura zu erstellen. Das man hier nicht sehr umsichtig gehandelt hat, ist doch vollkommen klar. Fehlleistungen von Mitarbeitern liegen auf der Hand. Ich denke es wird hier aber die innere Dynamik vieler Konzerne einfach sehr gut sichtbar. Die sind nicht immer nett und letztlich haben wir keine Regeln geschaffen, die das unterbinden würde.
Aber schlußendlich ist es so. Wenn sie dich nicht transportieren wollen, dann war’s das.
Die Fluggastrechte der EU sind da schon ein guter Schutz. Na dann hoffen wir, dass die Bestrebungen sie aufzuweichen nicht so ganz fruchten.